Schrift:
Per e-Mail versenden Drucken

GmbH-Gesellschafterversammlungen und vereinfachte Beschlussfassung in Corona-Zeiten (Stand: 29. April 2020)

Die Ausbreitung des neuartigen SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) führte bekanntlich in der gesamten Welt zu massiven öffentlichen Gegenmaßnahmen. In Deutschland, und vergleichbar in aller Welt, wurden auf Länderebene zahlreiche Verordnungen mit stark freiheitsbeschränkendem Charakter erlassen. Insbesondere sind Zusammenkünfte mehrere Personen weitgehend untersagt. Dieses Verbot dies dürfte, wie in diesem Artikel zu zeigen sein wird, auch GmbH-Gesellschafterversammlungen erfassen. Vor diesem Hintergrund führte der Bundesgesetzgeber durch das sogenannte „Maßnahmengesetz“ (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020) „substantielle Erleichterungen“ (so ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 19/18110 vom 14. März 2020 unter B. 3.) für die Durchführung von Hauptversammlungen der Aktiengesellschaft, für Gesellschafterversammlungen der GmbH sowie für weitere im Gesetz genannte Rechtsformen ein.

1. Aktuelle Unzulässigkeit von Gesellschafterversammlungen

Nachfolgend wird die Rechtslage des Landes Baden-Württemberg betreffend die aktuelle (Un-)Zulässigkeit von Gesellschafterversammlungen als Präsenzversammlung gemäß der Sechsten Verordnung der baden-württembergischen Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 23. April 2020 (nachfolgend „Verordnung“ genannt) beschrieben; soweit ersichtlich ist die Rechtslage in allen Bundesländern vergleichbar. In Baden-Württemberg ist aktuell der Aufenthalt im öffentlichen Raum (außerfamiliär) nur mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person gestattet. Außerhalb des öffentlichen Raums sind Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen von jeweils mehr als fünf Personen vorbehaltlich des Selbstorganisationsrechts des Landtages und der Gebietskörperschaften (zunächst) bis zum 3. Mai 2020 verboten. Ausgenommen von diesem Verbot sind Veranstaltungen und sonstige Ansammlungen, wenn deren teilnehmende Personen in gerader Linie verwandt sind, wie beispielsweise Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkinder oder in häuslicher Gemeinschaft miteinander leben sowie deren Ehe- oder (Lebens-)Partner oder -partnerinnen. Die Untersagung gilt namentlich für Zusammenkünfte in Vereinen, sonstigen Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie öffentlichen und privaten Bildungseinrichtungen.

Ausgenommen von dem beschriebenen Verbot sind Veranstaltungen, Ansammlungen und sonstige Zusammenkünfte, wenn sie

  1. der Aufrechterhaltung des Arbeits- und Dienstbetriebs oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfür- oder -vorsorge oder
  2.  dem Betrieb von Einrichtungen, soweit er nicht nach dieser Verordnung untersagt ist,

zu dienen bestimmt sind. Die soeben zitierte Bestimmung von § 3 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 der Verordnung gilt gemäß § 3 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung „insbesondere für Veranstaltungen, Ansammlungen und sonstige Zusammenkünfte der Gerichte, Staatsanwaltschaften, der Notarinnen und Notare des Landes“. Er gilt außerdem nach § 3 Absatz 3 Satz 3 der Verordnung für Veranstaltungen, die der medizinischen Versorgung dienen.

Gesellschafterversammlungen, Hauptversammlungen oder ähnliche Gremienveranstaltungen von Wirtschaftsunternehmen, Vereinen u.a. werden in der Verordnung nicht als Ausnahmen vom Verbot von Zusammenkünften genannt, die der Aufrechterhaltung des Arbeits- und Dienstbetriebes dienen. Vor diesem Hintergrund dürften aktuell GmbH-Gesellschafterversammlungen mit mehr als fünf Teilnehmern nicht zulässig sein. Auch der Bundesgesetzgeber des Maßnahmengesetzes scheint dieser Auffassung zu sein. So wird in der Gesetzesbegründung zum Maßnahmengesetz ausgeführt, die betroffenen Unternehmen sollten in die Lage versetzt werden, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsfreiheit erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben (BT-Drucksache 19/18110 vom 14. März 2020 unter A. 3. sowie B. 3.).

Abschließend sei darauf verwiesen, dass nach § 3 Abs. 6 der Verordnung aus wichtigem Grund unter Auflagen zum Schutz vor Infektionen Ausnahmen vom Verbot von Zusammenkünften zugelassen werden können. Ein wichtiger Grund liegt nach § 3 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 der Verordnung vor, wenn es sich um gesetzlich vorgeschriebene Veranstaltungen handelt und eine Verlegung des Termins nicht möglich ist. Gesellschafterversammlungen sind allerdings im Regelfall nicht gesetzlich vorgeschrieben. Zwar schreibt § 42a Abs. 2 Satz 1 GmbHG vor, dass die Gesellschafter der GmbH spätestens bis zum Ablauf der ersten acht Monate oder, wenn es sich um eine kleine Gesellschaft handelt (§ 267 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs), bis zum Ablauf der ersten elf Monate des Geschäftsjahrs über die Feststellung des Jahresabschlusses und über die Ergebnisverwendung zu beschließen haben. Es ist jedoch anerkannt, dass mit dieser Vorschrift eine Beschlusspflicht, nicht aber eine Versammlungspflicht verbunden ist.

Auch wenn die Rechtslage nicht als völlig eindeutig beurteilt werden kann, ist von der Abhaltung von Gesellschafterversammlungen in der GmbH mit mehr als fünf Teilnehmern aktuell dringlich abzuraten. Dies auch vor dem Hintergrund, als Verstöße gegen das Versammlungsverbot nach § 9 Nr. 2 der Verordnung i.V.m. dem geltenden Bußgeldkatalog mit einem Bußgeld (im Land Baden-Württemberg) pro teilnehmender Person von 250 Euro bis 1.000 Euro bewehrt sind.

2. Erleichterte Beschlussfassung nach dem Maßnahmengesetz

Artikel 2 § 1 des Maßnahmengesetzes sieht ungeachtet etwaiger anderslautender satzungsrechtlicher Bestimmungen ausdrücklich die Befugnis des Vorstands einer Aktiengesellschaft vor, Hauptversammlungen, die im Jahr 2020 stattfinden, ohne physische Präsenz der Aktionäre als virtuelle Hauptversammlung abzuhalten. Das Gesetz regelt in § 1 Absatz 2 einzelne technische Verfahrensregeln für die Abhaltung virtueller Hauptversammlungen. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen werden zu Recht als revolutionär bezeichnet.

Demgegenüber regelt Art. 2 Abs. 2 des Maßnahmengesetzes für die GmbH nur, dass abweichend von der gesetzlichen Vorschrift des § 48 Absatz 2 GmbHG Gesellschafterbeschlüsse in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter wirksam gefasst werden können. Weitere Regelungen enthält das Maßnahmengesetz zur GmbH nicht. Insbesondere regelt das Gesetz nicht, ob und in welcher Form Gesellschafterversammlungen in der Zeit der Covid-19-Pandemie ab-gehalten werden können bzw. müssen sowie über die Art und Weise der Einberufung und Abhaltung von Gesellschafterversammlungen. Insbesondere regelt das Maßnahmengesetz für die GmbH, anders als für die Aktiengesellschaft, gerade nicht die Zulässigkeit virtueller Gesellschafterversammlungen.

Die Neuregelung zum GmbH-Recht stellt sich als bruchstückhaft dar und wirft entsprechend zahlreiche ungelöste Fragen auf. Der Gesetzgeber hat schlampig gearbeitet.

Wie stellt sich etwa die Situation dar, wenn, wie häufig, Gesellschaftsverträge eine ausdrückliche Anweisung enthalten, Gesellschafterversammlungen abzuhalten, etwa zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft? Wenn nun aber aus Rechtsgründen körperliche Gesellschafterversammlungen bzw. Präsenzversammlungen bei Überschreiten der coronabedingt zulässigen Teilnehmerzahl aktuell schlicht unzulässig sind (siehe oben unter Ziff. 1), dürfte eine satzungsrechtliche Vorschrift, die eine Präsenzversammlung der Gesellschafter fordert, zurückzutreten haben. Hiervon geht offensichtlich auch der Gesetzgeber aus, da er trotz der lückenhaften Formulierung der Änderungsbestimmung zu § 48 Absatz 2 GmbHG ausdrücklich darauf hinweist, auch für die GmbH „substantielle Erleichterungen“ für die Durchführung von Gesellschafterversammlung geschaffen zu haben (s.o. vor Ziff. 1). Der Gesetzestext ist auch insoweit unklar, als Art. 2 § 2 des Maßnahmengesetzes lediglich formuliert, dass Gesellschafterbeschlüsse in vereinfachter Form auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst wer-den können. Das Gesetz schweigt aber darüber, ob dennoch ein Zustimmungsbeschluss für eine Beschlussfassung ohne Präsenzversammlung mit beispielsweise einfacher Mehrheit der Gesellschafter erforderlich ist. Der Verfasser neigt dazu, dass der Geschäftsführer eine derartige vereinfachte Beschlussfassung ohne Zustimmung der Gesellschafter anordnen kann. Andernfalls könnten aktuell Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH schlicht nicht gefasst werden, sofern die Mehrheit der Gesellschafter sich gegen eine vereinfachte Beschlussfassung wenden würde. Dies wollte jedoch der Gesetzgeber offensichtlich verhindern.
Für die zu fassenden Beschlüsse im vereinfachten Verfahren bedarf es naturgemäß der gesetzlich oder satzungsmäßig vorgeschriebenen Mehrheiten (einfache bzw. qualifizierte Mehrheit).

Vom Gesetzgeber nicht geregelt ist weiterhin die Frage, ob die GmbH berechtigt, im Einzelfall gar verpflichtet ist, virtuelle Gesellschafterversammlungen abzuhalten, auch wenn die GmbH-Satzung und der Gesetzgeber eine einhergehende Regelung nicht getroffen haben.

Die aufgeworfene Frage steht im Zusammenhang mit Fundamentalrechten der Gesellschafter wie deren Teilnahme- und Informationsrecht sowie ihr Auskunfts- und Einsichtsrecht. Den Gesellschaftern einer Präsenzversammlung steht neben dem Recht auf Anwesenheit das Recht auf aktive Beteiligung an der Willensbildung durch Wortmeldung, das Fragerecht und ein Antragsrecht zu. Wird eine beispielsweise satzungsrechtlich vorgeschriebene Gesellschafterversammlung coronabedingt lediglich durch eine schriftliche Beschlussfassung ersetzt, kann dies durchaus zu rechtlich risikobehafteten und damit anfechtbaren Beschlüssen führen, da dann vorstehende Rechte allenfalls der späteren schriftlichen Stimmabgabe vorgeschaltet und den Gesellschaftern entsprechend nur eingeschränkt eröffnet werden können. Der interaktive Austausch der Gesellschafter ist bei einer nur schriftlichen Beschlussfassung schlicht nicht möglich. Ein solcher erscheint jedoch insbesondere angezeigt, wenn sich ein beabsichtigter Gesellschafterbeschluss als besonders komplex erweist und/oder bedeutsame Gesellschafterinteressen von diesem erfasst sind. Die Geschäftsführer müssen also auf der Hut sein, wenn sie eine üblicherweise vorgeschriebene Präsenzversammlung durch schriftliche Beschlussfassungen ersetzen wollen.

Beraterhinweis:

Schriftliche Beschlussfassungen müssen sorgfältig vorbereitet werden. Art und Umfang der Informationserteilung an die Gesellschafter sollten, soweit nicht lediglich marginale Beschlüsse zu fassen sind, ausgeweitet werden. Weiterhin ist zu empfehlen, in Einzelfällen zu einer virtuellen Versammlung einzuladen und die hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen herzustellen. Verfügt ein Gesellschafter nicht über die technischen Möglichkeiten, an einer virtuellen Versammlung teilzunehmen, sind ihm diese zur Verfügung zu stellen. Dies kann bis hin zu einer Schulungspflicht betreffend die Ermöglichung der Teilnahme an einer Videokonferenz auf Zoom oder einer anderen Plattform für Videokonferenzen führen.

Die eigentliche Beschlussfassung sollte unbedingt außerhalb der Videokonferenz auf schriftlichem oder elektronischem Wege nach Beendigung der Videokonferenz angeordnet und durchgeführt werden. Denn die Wirksamkeit eines in einer virtuellen Versammlung einer GmbH gefassten Gesellschafterbeschlusses ist rechtlich nicht gesichert. Dennoch empfehlen wir jedenfalls in Fällen, in welchen gewichtige Beschlussthemen anstehen, den Gesellschaftern zum Zwecke der Wahrung ihrer oben angesprochenen Gesellschafterrechte die Plattform eines virtuellen Gesellschaftertreffens zum Zwecke der Aussprache und Vorbereitung der Beschlussfassung zur Verfügung zu stellen. Dies gilt ungeachtet der offenen Rechtsfrage, ob es sich bei einer gesetzlich und gesellschaftsvertraglich nicht geregelten virtuellen Versammlung um eine Gesellschafterversammlung im Rechtssinne handelt.

Mit der Aufforderung an alle Gesellschafter zur schriftlichen bzw. elektronischen Stimmabgabe sind diesen die Tagesordnung einschließlich der Beschlussvorschläge der Geschäftsführung sowie möglichst umfangreiche Unterlagen und Informationen zu den einzelnen Beschlussvorschlägen zu übermitteln. Außerdem sind den Gesellschaftern die einhergehenden Abstimmungsbögen bzw. Formulare für die Stimmabgabe zuzuleiten. Auch soll der Weg beschrieben werden, wie die Gesellschafter die Stimmabgabe technisch im Einzelnen vorzunehmen haben.

Bei einem kleinen Gesellschafterkreis kann im Übrigen überlegt werden, eine Gesellschafterversammlung (in Baden-Württemberg) mit einer Teilnehmerzahl von (derzeit) nicht mehr als fünf abzuhalten, falls die weiteren Gesellschafter ihr Stimmrecht übertragen oder ihr Stimmrecht anderweitig in zulässiger Weise ausüben.

Gerne unterstützen wir Sie bei weitergehenden Fragen in ihrer GmbH, insbesondere wenn Gesellschafterversammlungen bzw. Gesellschafterbeschlüsse vorzubereiten sind.

Rechtsanwalt Dr. jur. Alexander Böck

Lenzhalde 53
70192 Stuttgart
Telefon: +49 (0)711 / 60 18 00 3
E-Mail: boeck@boeck-law.de
Web: www.boeck-law.de