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Fehlerhafte Abrechnung als gewerbsmäßiger, bandenmäßiger Betrug

Neues Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach

Es dürfte allgemein bekannt sein, dass die fehlerhafte Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen im Entdeckungsfall zu empfindlichen Rückforderungsbescheiden führen kann. Nicht ganz so bekannt ist, dass nach ständiger Rechtsprechung der Strafgerichte in den meisten Fällen auch Betrugsstraftaten begangen werden. Aufmerken lässt ein Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 7. Januar 2008, mit welchem drei Vertragsärzte wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs bestraft wurden. Grund: Sie treten im Außenverhältnis abrechnungstechnisch als Praxisgemeinschaft auf, während sie im Innenverhältnis eine Gemeinschaftspraxis verabredet hatten. Zumal es sich bei dem Straftatbestand des „Bandenbetrugs“ nicht lediglich um ein Vergehen, vielmehr um ein strafrechtliches Verbrechen handelt, welches mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr sanktioniert wird, müssen sämtliche Vertragsärzte, welche Gefahr laufen gegen Abrechnungsbestimmungen zu verstoßen, dringend zur Vermeidung existenzgefährden-der negativer Rechtsfolgen ihre Abrechnungspraxis einer eingehenden Prüfung unterziehen.

Abstract zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Bandenbetrug

Eine Verurteilung wegen Bandenbetrugs gegen Vertrags(zahn)ärzte wurde bereits durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2006 ausgesprochen. In jenem Fall handelte es sich leicht erkennbar um einen schwerwiegenden Fall des Abrechnungsbetrugs. Ein Vertragszahnarzt hatte dort im dauerhaften Zusammenwirken mit einer Dentalhandelsgesellschaft im Rahmen von kick-back-Absprachen Rückvergütungen in Höhe von 25 bis 30 % des Zahnersatztarifs von der Dentalhandelsgesellschaft erhalten und diese Praxis bei seinen Abrechnungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung dauerhaft verschwiegen. Der Bundesgerichtshof verurteilte den Zahnarzt nicht (nur) wie die Vorinstanz, wegen gewerbsmäßigen Betrugs mit der Folge eines Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, vielmehr wegen vorsätzlichen gewerbsmäßigen und bandenmäßig begangenen Betruges. In diesem Fall liegt nach § 263 Absatz 5 StGB der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Damit hat die Straftat Verbrechenscharakter. Einen bandenmäßigen Betrug nach § 163 Absatz 5 StGB begeht, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten, insbesondere von Straftaten des Betrugs verbunden hat, gewerbsmäßig begeht. Eine „Bande“ ist nach der Rechtsprechung bereits dann gegeben, wenn jedenfalls drei Personen sich mit dem Willen verbinden, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im Einzelfall gegebenenfalls noch ungewisse Straftaten der im Gesetz beschriebenen Art zu begehen.

Während der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall zu den kick-back-Zahlungen allgemein vor dem Hintergrund auf Zustimmung treffen dürfte, dass sich die betreffenden Zahnärzte mit den Zahnersatzunternehmen mit erheblicher krimineller Energie verbunden hatten, liegt der vom Landgericht Bad Kreuznach entschiedene Fall vordergründig anders, führte jedoch gleichwohl zurecht zur gleichen Strafbarkeit:

Aktuelles Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach

Im jüngst entschiedenen Fall des Landgerichts Bad Kreuznach (Urteil vom 7. Januar 2008) waren zwei der drei Angeklagten zunächst bereits seit längerer Zeit zu einer Gemeinschaftspraxis verbunden. In diese sollte später der dritte Angeklagte aufgenommen werden. Der Zusammenschluss wurde der Kassenärztlichen Vereinigung als Praxisgemeinschaft gemäß § 33 Absatz 1 Ärzte-ZV angezeigt. Tatsächlich hatten die Angeklagten intern vereinbart, den Patientenstamm gemeinsam zu nutzen und die Investitionen und Kosten gemeinsam zu tragen. Auch der von den Angeklagten gemeinsam erwirtschaftete Gewinn sollte untereinander aufgeteilt werden. Im Innenverhältnis war somit zwischen den Angeklagten eine Berufsausübungsgemeinschaft in Form einer Gemeinschaftspraxis vereinbart. Den Angeklagten war auch bewusst, dass die interne Absprache ihrer Zusammenarbeit ihrer Anzeige gegenüber der KV widersprach und ihre Zusammenarbeit bei der KV als Gemeinschaftspraxis hätte angezeigt und genehmigt werden müssen.

Als Folge der fehlerhaften Genehmigung als Praxisgemeinschaft rechneten die Angeklagten über einen Zeitraum von neun Quartalen bei mehr als 80 % ihrer Patienten die Ordinationsgebühr (GNr. I des EBM) mehrfach pro Quartal ab, obwohl innerhalb einer Gemeinschaftspraxis nur eine einfache Abrechnung zulässig gewesen wäre. Die KV zahlte antragsgemäß aus.

Die drei Vertragsärzte wurden jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafkammer hatte zugunsten der Angeklagten einige Umstände angenommen, die hier im Einzelnen nicht referiert werden; so hatten die Angeklagten im Rahmen eines Vergleichs mit der Kassenärztlichen Vereinigung eine Rückzahlung vorgenommen, welche den entstandenen Schaden weit übertroffen hatte.

Beraterhinweis: Das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach und der diesem zugrundeliegende Fall machen deutlich, dass das Risiko von Unstimmigkeiten und erst recht von bewussten Fehlern bei der Abrechnung gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen durch Vertragsärzte ganz erheblich ist. Es drohen nicht nur zivilrechtliche Rückzahlungsforderungen in einer den Schaden der KV im Einzelnen übersteigenden Höhe. Vielmehr drohen insbesondere bei gemeinsamer Begehung strafrechtliche Verurteilungen mit einem erheblichen Strafmaß. Hierbei kann nicht sichergestellt werden, dass bei dem gesetzlichen Mindeststrafmaß von einem Jahr (in minder schweren Fällen von sechs Monaten) eine Strafaussetzung zur Bewährung, selbst bei Erstbegehung, ausgesprochen wird. Darüber hinaus muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass als weitere Rechtsfolge von strafrechtsrelevantem Abrechnungsbetrug auch die Entziehung der Zulassung und/oder die Rücknahme der Approbation ausgesprochen werden können. Schließlich ist auf die im Jahr 2004 eingeführte Vorschrift des § 81 a Absatz 4 SGB V hinzuweisen, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die Staatsanwaltschaft unverzüglich darüber unterrichten sollen, wenn ein Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen mit nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung bestehen könnte.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage kann Vertragsärzten nur dringlich empfohlen werden, rechtmäßige Abrechnungsmethoden einzusetzen, wobei naturgemäß die rechtlich zulässigen Abrechnungsmöglichkeiten ausgenutzt werden sollen, um eine wirtschaftliche Praxisführung zu erreichen. Soweit Abrechnungsvergehen in der Vergangenheit bereits begangen sind, ist dringlich eine sorgfältige fachmännische Analyse vorzunehmen, auf welche Art und Weise die Rechtsverstöße abzustellen sind und in welcher Art und Weise mit den zuständigen Gremien zu korrespondieren ist, um ansonsten drohende existenzgefährdende Rechtsfolgen zivil-, straf- und berufsrechtlicher Art zu verhindern.

Stand: September 2008

Rechtsanwalt Dr. jur. Alexander Böck

Lenzhalde 53
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