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Ärztliche Kooperationsformen nach geltendem Recht

Teil 1: Die örtliche Berufsausübungsgemeinschaft

Gemeinsam mit anderen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kollegen selbstständig tätig zu werden, ist für viele Ärzte eine reizvolle Alternative zum Klinikalltag. Die erfolgreiche Kooperation erfordert jedoch nicht nur hohe fachliche Kompetenz, sie bedarf auch einer klaren Vorstellung, in welcher Form die Kooperation erfolgen soll. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz hat die Möglichkeiten dazu erweitert. Ob der Zusammenschluss von Dauer ist, hängt nicht zuletzt von einer sinnvollen vertraglichen Regelung ab.

Mit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes ist der frühere Begriff der „Gemeinschaftspraxis“ durch den schwerfälligeren, bislang nur im Berufsrecht verwendeten Begriff der „Berufsausübungsgemeinschaft“ ersetzt worden. Nach § 33 Absatz 2 der Ärzte-Zulassungsverordnung („Ärzte-ZV“) wird unter (örtlicher) Berufsausübungsgemeinschaft die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit mehrerer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Leistungserbringer an einem gemeinsamen Vertragsarztsitz bezeichnet. Zu den Themen, die bei einer Berufsausübungsgemeinschaft der dringenden vertraglichen Regelung bedürfen, gehören:

— Rechtsform,
— Beteiligung der Gesellschafter und Stimmrecht,
— Personal,
— Gewinnbeteiligung,
— Geschäftsführung und Vertretung,
— Dauer der Partnerschaft,
— Kündigungs- und Trennungsregelungen,
— Aufnahme weiterer Partner und
— Haftung.

Rechtsform – erhebliche Unterschiede bei der Haftung

Es wird häufig übersehen, dass bei der Wahl der Rechtsform einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) ein erheblicher Gestaltungsspielraum besteht. Die meisten BAGs werden als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet. Dies führt dazu, dass deren Gesellschafter mangels anderweitiger Regelungen im Gesellschaftsvertrag mit jeweils gleichem Stimmrecht zu gleichen Teilen an der Gesellschaft und an deren Gewinn und Verlust beteiligt sind. Jeder Gesellschafter haftet im Innenverhältnis entsprechend seiner Beteiligung an der Gesellschaft. Im Außenverhältnis kann jeder Gesellschafter von einem Gläubiger der Gesellschaft etwa für Schadensersatzansprüche aus Kunstfehlern gesamtschuldnerisch in vollem Unfang in die Haftung genommen werden. Gelingt ihm ein Regress gegen die Mitgesellschafter nicht, kann dies, insbesondere in Fällen der Unterversicherung, zur Insolvenz sämtlicher GbR-Gesellschafter führen. Die gesetzliche Haftung trifft jeden GbR-Gesellschafter unabhängig davon, ob er selbst einen Kunstfehler persönlich begangen oder verschuldet hat.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Verfasser den Vertragspartnern einer BAG, sich in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft zusammenzuschließen. Laut Partnerschaftsgesellschaftsgesetz haften nur diejenigen Partner für berufliche Fehler, die „mit der Bearbeitung eines Auftrags“ (scilicet bei Ärzten „mit der Behandlung eines Patienten“) befasst waren (diese persönliche Haftung tritt neben die Haftung der Partnerschaftsgesellschaft selbst, die stets primär haftet). Im Falle erheblicher Haftungsrisiken und/oder Nicht- beziehungsweise Unterversicherung kann somit eine Insolvenz sämtlicher Gesellschafter vermieden werden, wenn die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft für die BAG gewählt wird. Ein nachträglicher vertraglicher Wechsel von der GbR in die Partnerschaftsgesellschaft ist grundsätzlich mit Unterstützung durch geeignete gesellschaftsrechtliche Berater jederzeit möglich.

Nach § 18 Absatz 2, 23 a Musterberufsordnung dürfen niedergelassene Ärzte grundsätzlich zwischen allen für den Arztberuf zulässigen Gesellschaftsformen wählen. Damit kommt auch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als Rechtsform für  Berufsausübungsgemeinschaften grundsätzlich in Betracht. Aufgrund der Länderhoheit, die im Bereich der Heilberufsgesetze gilt, besteht in den einzelnen Bundesländern jedoch kein gesetzlicher Gleichklang. So ist beispielsweise in Bayern die Führung einer ärztlichen Praxis in der Rechtsform einer juristischen Person ausdrücklich nicht gestattet (vgl. § 18 Absatz 1 Satz 2 des Bayerischen Heilberufe-Kammergesetzes). Im Einzelfall bedarf es daher zunächst der Prüfung, ob die Rechtsform einer GmbH in dem jeweiligen Bundesland gesetzlich überhaupt zugelassen ist. Darüber hinaus muss genau analysiert werden, ob sich für die jeweilige Berufsausübungsgemeinschaft die Rechtsform der GmbH eignet. Die betreffenden Ärzte müssen sich insbesondere mit gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragen befassen.

Beteiligung der Gesellschafter und Stimmrecht

BAG-Gesellschaftsverträge müssen zudem Regelungen über die Beteiligung der Gesellschafter und deren Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung enthalten. Naturgemäß betrifft dies den Kernbereich der wirtschaftlichen Beteiligung der Gesellschafter an dem Unternehmen Arztpraxis. Das Kräfteverhältnis der Gesellschafter einer BAG muss zum Zeitpunkt der Gründung beziehungsweise bei später erforderlich werdenden Änderungen mit besonderem Augenmaß analysiert werden. Juristisch sind beispielsweise gleichberechtigte Partnerschaften, insbesondere Partnerschaften unter zwei Gesellschaftern mit jeweils 50%igem Stimmrecht, im Streitfall äußerst gefährlich. Wird nicht im Vorfeld vertraglich ausreichend geklärt, wie Pattsituationen aufgelöst werden, kann ein Gesellschafterstreit zur Lähmung der BAG führen, da wesentliche Entscheidungen ausbleiben, wenn kein Partner überstimmt werden kann.

Personal: Zuständigkeiten regeln

BAG-Verträge müssen auch Regelungen darüber enthalten, wer für die Anstellung und die Entlassung von ärztlichem und nicht ärztlichem Personal zuständig ist. In den gängigen Verträgen ist regelmäßig ein Einstimmigkeitserfordernis festgelegt. Bei mehr als zwei Partnern kann das Einstimmigkeitserfordernis allerdings dazu führen, dass beispielsweise die Entlassung eines unliebsamen oder ungeeigneten Mitarbeiters gegen den Wunsch auch nur eines Partners nicht durchgesetzt werden kann. Der Verfasser empfiehlt daher, Mehrheitsklauseln einzuführen, welche auch das Überstimmen eines Partners ermöglichen.

Angemessene Regelungen zur Gewinnverteilung

BAG-Verträge müssen Regelungen über die Gewinnverteilung der Gesellschafter enthalten. Meist entspricht die Gewinnquote der Gesellschafter deren Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft und deren Stimmrecht. In Sonderkonstellationen können freilich auch Abweichungen von diesem Grundsatz angezeigt sein. Die Interessenlage der Gesellschafter ist in jedem Einzelfall gewissenhaft zu analysieren, um aus dieser angemessene
vertragliche Regelungen abzuleiten.

Geschäftsführung und Vertretung

Im BAG-Vertrag muss geregelt sein, in welchem Umfang die Gesellschafter im Innenverhältnis sowie im Außenverhältnis berechtigt sind, die Geschäfte der Praxis zu führen, beispielsweise Verträge abzuschließen. Bei der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages der BAG empfiehlt es sich vom Grundsatz her, jedem Gesellschafter – in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Stärke der Praxis – für Alltagsgeschäfte und Geschäfte mit geringerem wirtschaftlichen Wert die Alleinvertretungsbefugnis beziehungsweise das Recht zur Einzelgeschäftsführung einzuräumen. Für ungewöhnlichere oder wirtschaftlich bedeutsame Geschäfte empfehlen sich abgestufte Regelungen von Mehrheitsklauseln bis hin zum Erfordernis der Einstimmigkeit.

Dauer der Partnerschaft und Kündigungsregelungen

Intensiv nachgedacht werden muss bei Gründung einer BAG über die Frage der Dauer der Partnerschaft und über Kündigungsregelungen. So sehr die Gesellschafter bei Gründung einer BAG davon überzeugt sind, eine langfristige Partnerschaft eingehen zu wollen, so sehr muss auch beachtet werden, dass jedem Gesellschafter, nicht nur aus Rechtsgründen, grundsätzlich ein Ausscheiden aus der Gesellschaft möglich sein muss. Sorgsam muss die Frage behandelt werden, innerhalb welcher Fristen eine Trennung möglich ist. Zu lange Fristen können dazu führen, dass verstrittene Gesellschafter rechtlich gezwungen bleiben, miteinander zusammenzuarbeiten. Dies kann zu einem erheblichen wirtschaftlichen Abschwung einer Praxis führen. Zu kurze Fristen verhindern umgekehrt eine ausreichende Auseinandersetzung der Gesellschaft sowie die erforderliche Nachbesetzung des ausscheidenden Gesellschafters. Auch über die Regelung von Sonderkündigungsfristen unter bestimmten, im Vertrag zu regelnden Voraussetzungen müssen die Gesellschafter gemeinsam mit ihrem Berater sorgfältig nachdenken.

Trennung der Gesellschafter

Von höchster wirtschaftlicher Bedeutung in BAG-Verträgen sind Regelungen über die Trennung der Gesellschafter. Dies betrifft sowohl den Fall, dass ein Gesellschafter im Wege einer (Eigen-)Kündigung aus der Gesellschaft ausscheiden möchte als auch die noch komplexeren Fälle, in welchen ein Gesellschafter aus wichtigem Grund, der grundsätzlich im Gesellschaftsvertrag geregelt werden sollte, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden soll. Man denke etwa an Situationen, in welchen die Gesellschafter bei der Gründung der BAG davon ausgegangen waren, dass sie ärztlich und wirtschaftlich gleichwertige Leistungen erbringen würden und sich dann herausstellt, dass einer der Partner deutlich weniger Anteil am Erfolg der Praxis hat als die anderen. Naturgemäß kann es hier leicht zu Streit unter den Gesellschaftern kommen, falls nicht von vornherein ausreichende gesellschaftsvertragliche Regelungen vereinbart sind. Eine sinnvolle Regelung ist beispielsweise, dass bei einer gegebenenfalls prozentual zu definierenden Abweichung der wirtschaftlichen Leistungskraft der Gesellschafter sich automatisch oder auf Antrag eines Gesellschafters deren Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft ändert. Zu erwägen ist auch eine Regelung über den möglichen Ausschluss eines Gesellschafters für den Fall, dass dieser dauerhaft keinen oder einen zu geringfügigen Beitrag zum Gewinn der Gesellschaft leistet. Zwingend erforderlich ist, dass derartige Regelungen im Gesellschaftsvertrag enthalten sind, da eine nachträgliche Änderung rechtlich nur in äußersten Ausnahmefällen gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters durchgesetzt werden kann.

Ungeachtet dieser Fragen müssen in Gesellschaftsverträgen – insbesondere auch vor dem Hintergrund der sich laufend ändernden gesetzlichen Bestimmungen – sorgfältig Abfindungsregelungen und Regelungen über die Bewertung von Gesellschaftsanteilen getroffen werden. Damit einhergehend müssen Regelungen über die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes eines ausscheidenden Gesellschafters getroffen werden. Dies gilt jedenfalls so lange, wie sich die Rechts lage hinsichtlich der Zulassungsbeschränkungen – die bekanntlich für Zahnärzte bereits aufgehoben wurden – nicht geändert hat. Wegen der unklaren zukünftigen Rechtslage muss in modernen Gesellschaftsverträgen für BAGs der schwierige Versuch unternommen werden, künftige gesetzliche Rahmenbedingungen in den Gesellschaftsverträgen mit abzubilden. Entsprechend sollten flexible Abfindungsregelungen in die Gesellschaftsverträge aufgenommen werden.

Aufnahme weiterer Partner und Haftung

In Gesellschaftsverträgen muss auch die Aufnahme weiterer Partner in die BAG geregelt sein. Jedenfalls bei BAG mit einer überschaubaren Anzahl von Gesellschaftern dürfte eine Regelung nicht interessengerecht sein, die den Eintritt eines Gesellschafters auch gegen den Willen eines Mitgesellschafters ermöglichen würde; im Regelfall wird man mithin fixieren, dass die Aufnahme weiterer Gesellschafter stets der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bedarf. Wichtig sind – neben weiteren Bestimmungen, welche hier nicht behandelt werden – schließlich klare Regelungen über die Haftung der Gesellschafter. Dies betrifft insbesondere den Fall, dass die Gesellschafter die Rechtsform der GbR und nicht diejenige der Partnerschaftsgesellschaft, der GmbH oder AG wählen. Es empfiehlt sich, gerade für den Bereich von ärztlichen Kunstfehlern im Gesellschaftsvertrag klare Regelungen zu treffen, von welchem Gesellschafter ein Schaden, der nicht von der Haftpflichtversicherung der BAG übernommen wird, im Innenverhältnis zu tragen ist. Man denke an den Fall, dass ein Patient mit einem sehr hohen, beispielsweise siebenstelligen Jahreseinkommen berufsunfähig wird und die Haftpflichtversicherung betraglich limitiert ist. Zwar stellt die Berufsausübungsgemeinschaft grundsätzlich eine Solidargemeinschaft dar, weshalb zunächst auch eine Solidarhaftung angemessen erscheinen mag. Eine Solidarhaftung im „Unrecht“, die dann letztlich eine starke oder gar nicht verkraftbare Haftung sämtlicher Gesellschafter zur Folge haben würde, ist nach Ansicht des Verfassers jedoch häufig nicht sachgerecht und sollte daher vertraglich eingeschränkt werden. Der beste Weg – wie oben dargestellt – die Berufsausübungsgemeinschaft in der Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft zu errichten.

Stand: Februar 2009

Rechtsanwalt Dr. jur. Alexander Böck

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