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Medizinische Versorgungszentren (MVZ)
Gestaltungstipps für Gesellschaftsverträge

Der Gesetzgeber erweist dem ärztlichen Kooperationsmodell des medizinischen Versorgungszentrums – kurz MVZ – zunehmend seine Sympathie. Nachfolgend deshalb einige Hinweise für die inhaltliche Gestaltung von Gesellschaftsverträgen und von vertraglichen Regelungen für die in einem MVZ tätigen Ärzte und Gesellschafter. Nach § 95 Absatz 1 Satz 2 SGB V (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch) wird das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) gesetzlich wie folgt definiert: „Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind.” Mit dieser Neuregelung der Definition des MVZ hat der Gesetzgeber im Rahmen des Versorgungsverstärkungsgesetzes vom 16. Juli 2015 das bisher zwingende Merkmal, dass ein MVZ obligatorisch „fachübergreifend” sein müsse, bewusst aufgegeben. In den vergangenen Jahren hatten die für die Zulassung von MVZ zuständigen Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) die gesetzlichen Bestimmungen sehr restriktiv angewendet. Da der Gesetzgeber das MVZ will, wie Wolfgang Pütz, Hauptabteilungsleiter Bereich Bedarfsplanung und Zulassung bei der KV Berlin formuliert, wird sich die Zulassungspraxis der Zulassungsausschüsse künftig zunehmend liberaler darstellen.

Statistische Kennziffern

Die Zahl der MVZ ist seit deren gesetzlicher Einführung im Jahr 2004 sukzessive angestiegen. Mit der Beendigung des Erfordernisses einer „fachübergreifenden” Einrichtung wird sich der Anstieg weiter beschleunigen. Nachfolgend seien die Kennziffern der Jahre 2015 und 2009 (Zahlen nachfolgend in Klammern) verglichen: Im Jahr 2015 waren bundesweit 2.156 MVZ (1.206) zugelassen. In diesen waren insgesamt 14.293 (5.536) Ärzte und Psychotherapeuten – hierunter 182 ärztliche Psychotherapeuten und 467 psychologische Psychotherapeuten – tätig. Die Leitung der MVZ betreffend hat sich der Trend fortgesetzt, dass zunehmend Krankenhäuser die Trägerschaft übernommen haben. Aktuell liegt nach Informationen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) die Zahl der MVZ in Trägerschaft von Vertragsärzten und in Trägerschaft von Krankenhäusern erstmals gleichauf (jeweils 910). Unter den Kooperationsmodellen liegt freilich nach wie vor die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) nicht unerheblich vor dem MVZ. In BAG sind aktuell 53.026 (44.501) Ärzte und Psychotherapeuten tätig, in Einzelpraxen sind es aktuell laut KBV 90.401 Ärzte und Psychotherapeuten. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass lediglich 9 % (23 %) der Ärzte in den MVZ als Vertragsärzte und 91 % (77 %) als angestellte Ärzte tätig sind. Die Schere öffnet sich tendenziell weiter. Entsprechend gilt es im Rahmen dieses Beitrags auch das Augenmerk auf Fragen der Gestaltung der Anstellungsverträge mit angestellten Ärzten der MVZ zu richten. Aktuell sind in MVZ durchschnittlich 6,6 (4,6) Ärzte tätig.

Definition der BAG

BAG sind heute örtlich und überörtlich wie auch fachidentisch und fachübergreifend zulässig. Die örtliche BAG wird in § 33 Absatz 2 der Ärzte-Zulassungsverordnung wie folgt definiert: „Die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ist zulässig unter allen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringern an einem gemeinsamen Vertragsarztsitz.” Ein Vergleich mit der gesetzlichen Definition des MVZ zeigt, dass inhaltlich kein wesentlicher Unterschied mehr zwischen einer BAG und einem MVZ besteht. Auch Ärzte in fachidentischer Berufsausübung können sowohl das Kooperationsmodell der BAG als auch des MVZ wählen.

Zulässige Rechtsformen

Das MVZ verfügt über ein weites gesellschaftsrechtliches Instrumentarium der Rechtsformen. Die Gründung eines MVZ ist nach § 95 Absatz 1a SGB V in der Rechtsform einer Personengesellschaft zulässig. Hierfür kommen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und, solange lediglich Vertragsärzte an dem MVZ beteiligt sind, die Partnerschaftsgesellschaft, in Betracht, des Weiteren die eingetragene Genossenschaft sowie eine öffentlich-rechtliche Rechtsform. Letztere beiden sind in der Praxis nur in Ausnahmefällen anzutreffende Rechtsformen. Die am häufigsten vorkommende Rechtsform ist die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). An dieser Stelle werden lediglich die Personengesellschaften und die GmbH näher betrachtet.

Rechtsform Partnerschaftsgesellschaft

Die Rechtsform der Partnerschaftsgesellschaft (PartG) ist für BAG ebenso wie für MVZ, vorausgesetzt, dass lediglich Vertragsärzte und nicht Krankenhäuser an dem MVZ beteiligt sind, der Rechtsform der GbR vorzuziehen. Die PartG verfügt über ein gegenüber der GbR eingeschränktes Risiko der persönlichen Haftung der einzelnen Gesellschafter beziehungsweise Partner der Gesellschaft. So haften zwar grundsätzlich auch bei der PartG nach § 8 Absatz 1 des PartG-Gesetzes (PartGG) den Gläubigern für Verbindlichkeiten der Partnerschaft neben dem Vermögen der Partnerschaft, das generell und ausnahmslos für Verbindlichkeiten der Partnerschaft in voller Höhe haftet, die einzelnen Partner mit ihrem gesamten Privatvermögen als Gesamtschuldner, mithin im Streitfall auch in voller Höhe.

„Waren (freilich) nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so haften nur sie gemäß Absatz 1 für berufliche Fehler neben der Partnerschaft”, so § 8 Absatz 2 PartGG. Dies bedeutet, dass jedenfalls dann, wenn nur ein Partner einer in der Rechtsform der PartG betriebenen BAG oder eines MVZ einen Schadensersatzanspruch auslösenden Berufsfehler begeht, nur dieser Partner mit seinem Privatvermögen für die Folgen einzustehen hat, sofern kein ausreichender Versicherungsschutz besteht. Und ein versicherungsrechtlicher Ausschluss kann in Fällen grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Pflichtverletzung ebenso wie bei sehr hohen Schäden durchaus im Einzelfall gegeben sein. Die Wahl der Rechtsform der PartG ist daher geeignet, in gravierenden und existenzgefährdenden Einzelfällen unbeteiligte Partner vor dem Risiko einer privaten Insolvenz zu schützen. Da die PartG keine nennenswerten Nachteile gegenüber der GbR hat, ist daher sowohl ärztlichen BAG als auch MVZ, die in der Rechtsform einer Personengesellschaft betrieben werden, soweit an dieser nur Vertragsärzte beteiligt sind, die Rechtsform der PartG zu empfehlen. Umfirmierungen können ohne größeren Aufwand, jedenfalls bei Steuerung durch entsprechend qualifizierte juristische Berater, durchgeführt werden.

Rechtsform GmbH

Derzeit steht die Rechtsform der GmbH ärztlichen BAG aus Rechtsgründen nicht zur Verfügung. Ein MVZ kann demgegenüber die GmbH als Rechtsform wählen. Die Vorteile liegen auf der Hand: In aller Regel haften Gesellschafter einer GmbH nicht persönlich für Schäden oder Verbindlichkeiten der GmbH. Dies betrifft sowohl Schadensersatzansprüche aufgrund etwaiger Pflichtverletzungen, die in der (MVZ-)GmbH tätige Ärzte begangen haben, als auch die Haftung für etwaige Bankkredite oder sonstige Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Indes haften Gesellschafter, sofern sie für Kredite gegenüber einer Bank des MVZ die persönliche Haftung übernommen haben oder soweit ein Gesellschafter entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 95 Absatz 2 Satz 6 SGB V die für die Zulassung des MVZ erforderlichen selbstschuldnerischen Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen für Forderungen der KV und der Krankenkassen gegen das MVZ aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgegeben hat. Für anderweitige Ansprüche gegen die MVZ-GmbH haften deren Gesellschafter im Regelfall nicht. Einzelheiten der Rechtsformwahl, auch Unterschiede zwischen der Besteuerung einer Personengesellschaft und einer GmbH können hier nicht erörtert werden. Im Ergebnis wählt jedenfalls nicht ohne Grund die Mehrzahl der MVZ als Rechtsform die GmbH.

Kein Praxisaufkauf durch KV

Der Gesetzgeber verfolgt bekanntlich das Ziel der besseren Verteilung von Ärzten über das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Kontext hat er die Nachbesetzung von Praxen in Gebieten erschwert, in denen der Versorgungsgrad die Schwelle von 140 % übersteigt. Nach § 103 Absatz 3a Satz 7 SGB V hat der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens abzulehnen, wenn eine Feststellung auf Überversorgung im Sinne einer Überschreitung der 140%-Schwelle vom zuständigen Landesausschuss getroffen wurde. Wurde ein Nachbesetzungsantrag abgelehnt, hat die KV den Vertragsarzt in Höhe des Verkehrswerts seiner Praxis zu entschädigen. Die einhergehenden Regelungen sind äußerst kompliziert und können daher an dieser Stelle nur vom Ansatz her erörtert werden. Fakt ist jedenfalls, dass der „Praxisaufkauf” im Falle von beabsichtigen Nachbesetzungen von Einzelpraxen oder Beteiligungen an BAG möglich ist. Bei MVZ ist der Aufkauf durch die KV nicht zulässig. Auch dieser Umstand spricht heute aus Rechtsgründen dafür, die Gründung eines MVZ ins Auge zu fassen. Während in der Vergangenheit häufig die Auffassung vertreten wurde, MVZ seien lediglich für größere Einheiten geeignet, spricht die Gefahr des Aufkaufs von Praxen gerade auch in kleineren, wirtschaftlich nicht so schlagkräftigen Einheiten durchaus für die Gründung von MVZ, da gerade und vorrangig in derartigen Fällen die KVen aufgrund von ihr zu bezahlender, nicht so hoch dotierter Verkehrswerte einen Aufkauf in Betracht ziehen. Als Abwehrmittel hiergegen ist eine MVZ-Gründung bestens geeignet.

Urteil des Bundessozialgerichts

In einschlägigen Fachmedien wurde bereits mehrfach über eine grundlegende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 4. Mai 2016 („MVZ-Urteil”) berichtet. Nach § 103 Absatz 4a SGB V kann ein Vertragsarztsitz in ein MVZ „eingebracht” werden, indem ein Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulassung verzichtet, „um in einem MVZ tätig zu werden”. In diesem Kontext „kaufen” MVZ Vertragsarztpraxen auf, indem sie den betreffenden Vertragsarzt eine im Einzelfall hohe Abfindung für den Verkehrswert seiner Vertragsarztpraxis oder seines einhergehenden Praxisanteils an einer BAG bezahlen, wenn der Vertragsarzt künftig in dem MVZ als angestellter Arzt tätig sein wird. In diesem Zusammenhang sind ein Kauf- sowie ein Anstellungsvertrag mit dem künftigen angestellten Arzt im MVZ zu schließen. Nach dem zitierten Urteil des BSG setzt dieses allerdings für eine rechtsbeständige „Umwandlung” des Vertragsarztsitzes des in das MVZ als angestellter Arzt eintretenden Vertragsarztes voraus, dass die Tätigkeit des (früheren) Vertragsarztes in dem MVZ für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren ausgeübt wird. Nur dann entsteht für das MVZ das wirtschaftlich fundamental wichtige Nachbesetzungsrecht für den Fall des Ausscheidens des betreffenden angestellten Arztes aus dem MVZ nach § 103 Absatz 4a Satz 3 SGB V. Nach dem Urteil des BSG besteht dieses Nachbesetzungsrecht im Regelfall nicht, wenn der betreffende (frühere) Vertragsarzt vor Ablauf von drei Jahren aus dem MVZ ausscheidet, es sei denn, es kann „nach den Umständen davon ausgegangen werden, dass der ursprünglich zugelassene Arzt zunächst tatsächlich zumindest drei Jahre im MVZ tätig werden wollte, diese Absicht aber aufgrund von Umständen, die ihm zum Zeitpunkt des Verzichts auf die Zulassung noch nicht bekannt waren, nicht mehr realisieren konnte. Dies kann etwa der Fall sein, wenn er erkrankt oder aus zwingenden Gründen seine Berufs- oder Lebensplanung ändern musste”. Hat im Einzelfall der eintretende (frühere) Vertragsarzt schon im Falle des Eintritts in das MVZ konkrete Pläne für die Beendigung seiner ärztlichen Tätigkeit und/oder führte das MVZ zu diesem Zeitpunkt schon Verhandlungen mit einem an der Nachbesetzung der betroffenen Arztstelle interessierten anderen Arzt, geht das Nachbesetzungsrecht des MVZ bei Austritt des (früheren) Vertragsarztes vor Ablauf des 3-Jahres-Zeitraums nach dem Urteil des BSG unter. Die Rechtslage des betreffenden Urteils gilt kraft ausdrücklicher Regelung erst für Nachbesetzungen, die sich auf Arztstellen beziehen, denen Umwandlungsanträge nach der Verkündung des Urteils, mithin nach dem 4. Mai 2016 zugrunde liegen. Vereinfacht ausgedrückt gilt das besprochene Urteil nicht für Altfälle, sondern lediglich für Neufälle. In Kaufverträgen mit in ein MVZ als angestellte Ärzte eintretenden früheren Vertragsärzten, die ihren Vertragsarztsitz in das MVZ einbringen, sind daher Regelungen vorzusehen, dass die Tätigkeit des betreffenden Vertragsarztes den Zeitraum von drei Jahren überschreiten muss. Rechtstechnisch kann hier beispielsweise mit Bedingungsklauseln gearbeitet werden. Auch können Regelungen getroffen werden, dass ein Kaufpreis ganz oder teilweise bei vorzeitigem Ausscheiden des in das MVZ eintretenden (früheren) Vertragsarztes zurückzubezahlen ist. Es muss auch an weitere Absicherungskonstruktionen für das MVZ gedacht werden. In Anstellungsverträgen mit in das MVZ als angestellte Ärzte eintretenden (früheren) Vertragsärzten sind Befristungsregelungen mit einer Dauer von mindestens drei Jahren vorzusehen. Aufgrund der brandneuen Rechtslage bedürfen Einzelheiten der sorgfältigen Prüfung und vertraglichen Gestaltung durch einen erfahrenen anwaltlichen Berater.

Stand: November 2016

Vorstehender Artikel wurde veröffentlicht in
„URO-NEWS“, Februar 2017 und in
„Der Neurologe & Psychiater (DNP)“, Februar 2017

Rechtsanwalt Dr. jur. Alexander Böck

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